Opera Batak

Diese Seite gliedert sich in vier Abschnitte:

  • Eine Beschreibung des Stücks, „Frauen am Rande des Sees“ von der Autorin Lena Simanjuntak und seines mythologischen Hintergrundes
  • Ein Auszug aus dem zugehörigen Manusskript
  • Eine Rezension des Klassikers Opera Batak – Das Wandertheater der Toba-Batak in Nord-Sumatra – Schauspiele zur Wahrung kultureller Identität im nationalen indonesischen Kontext von Professor R. Carle, durch den Vorsitzenden der Deutsch Indonesischen Gesellschaft, Herrn K. Mertes.
  • Ein Bericht über den erfolgreichen Versuch der indonesischen Theatergruppe „PLOt“ unter dem Vorsitz von Tomson Hutasoit, genannt Thompson Hs, diese traditionelle Theaterform zu erhalten und mit neuem Leben zu erfüllen.

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 Frauen am Rande des Sees

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 „Frauen am Rande des Sees“

.. ist der Titel des Stückes, das im Stil der Opera Batak aufgeführt wird. Als Thema wird das Problem um Wasser und die Rolle der Frauen aufgegriffen, inspiriert von einer Legende über den Toba-See. Der Toba-See entstand demnach, weil Samosir einen Schwur gegenüber seiner Frau gebrochen hatte: Sie war nämlich ursprünglich ein Fisch, der sich in eine Frau verwandelt hatte. Bevor sie die Ehe mit Samosir einging, hatte sie ihm das Versprechen abverlangt, niemals über ihren Ursprung zu sprechen, ihr Geheimnis nie zu verraten – und er hatte den Schwur geleistet.

Eines Tages begab es sich aber, dass Samosir bei der Feldarbeit sehr hungrig war und auf das Essen wartete, das seine Frau ihm durch ihren Sohn Toba bringen lassen sollte. Der hatte allerdings die Mahlzeit selbst verzehrt, weil er selbst gerne viel aß. Samosir wurde daraufhin wütend und beschimpfte das Kind: „Sohn eines Fisches!“ Kaum hatte er das gesagt, verdunkelte sich der Himmel, die Erde bebte und es begann ein anhaltender Wolkenbruch. Die Frau wusste sich nicht anders zu helfen, als wieder zum Fisch zu werden, um die beiden bei dem einsetzenden Hochwasser retten zu können. Doch zuvor verlangte sie von ihrem Mann und dem Sohn, sie sollten sich um die Umwelt und die Reinhaltung des Wassers kümmern, bevor durch den gewaltigen Regen die ganze Gegend zu einem See wurde. „Beim nächsten Vollmond werdet ihr mich noch einmal sehen und die ganze Schönheit des jetzt entstehenden Sees sowie die vollkommene Landschaft. Deshalb müsst ihr das Wasser schützen und die Umgebung pflegen – sonst gibt es eine große Katastrophe!“ Samosir versprach es. Er war aber nicht erfolgreich, weil zu viele Leute zum See kamen, vor allem bei Vollmond.

Allegorisch wird hier der bis heute anhaltende Konflikt zwischen den Bestrebungen den See kommerziell und touristisch zu nutzen und der Bewahrung der Natur nachgezeichnet.

1234501_714701625213144_709539167_n

FullSizeRender (25)Das Textbuch von Lena Simanjuntak-Mertes zu dem Stück der Opera Batak  Frauen am Randes des Sees – Perempuan di pinggir Danau – Woman at lake’s edge – Borua nadi duru ni tao  ist  2013 im Katakita-Verlag, Yogyakarta/Indonesien (ISBN 978-979-3778-73-0) erschienen. In Deutschland zu beziehen über mail@dig-koeln.de


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Ausschnitte aus dem Manuskript

Das vorliegende Manuskript von Lena Simanjuntak wird als Textbuch in vier Sprachen vorgelegt. Im Original auf Indonesisch, übersetzt in die regionale Batak-Sprache (auch in der klassischen Batak-Schrift), in Englisch  und auf Deutsch.

Die ersten drei Szenen werden als Auszug wiedergegeben:

FRAUEN AM RANDE DES SEES

Erste Szene

MUSIK – IN DEN KLANG DER GONDANG-TROMMELN MISCHT SICH DAS GERÄUSCH RAUSCHENDEN WASSERS. EINE FRAU ERSCHEINT, WEHKLAGEND (IN DER ART ÄLTERER BATAK-FRAUEN) UND FÜHRT BEWEGUNGEN DES TORTOR-TANZES AUS ALS AUSDRUCK IHRER VERBUNDENHEIT MIT DEM ZUSTAND DER WELT.

F r a u

Du schufst mich als Symbol der Fruchtbarkeit. Du badetest mich am vierzigsten Tag nach meiner Geburt mit dem zarten Guss himmlischen Wassers; es ruht auf Blättern, wo es am Morgen zu Tau sich wandelt, es fließt durch Erdspalten hin zu den Windungen des Flusses, es kommt für einen Augenblick zum Stehen, begrüßt den See und schreitet dann zum offenen Meer. Du legtest den Gesang des Mantras zum Schutz der Erde auf meine Zunge. Und doch lässt du zu, dass die Schönheit deiner Schöpfung zerstört und beschmutzt wird durch die Gier und das Verlangen das Gleichgewicht zu zerstören?! Die Erde erhitzt sich mehr und mehr durch das menschliche Tun. Sieh, die Frauen am Rande des Sees, sie wehklagen beim Anblick ihrer Kinder, wie sie schleppenden Schrittes nach sauberem Wasser suchen während die meisten Männer dem Alkohol frönen bis sie betrunken vor den Problemen weglaufen und noch gewalttätig werden.

SCHWEIGEN – ABER DANN LENKT SIE EIN

Vergib uns, Herrscher über Himmel und Erde! Denn wir haben unser alle Versprechen zur Wahrung deiner Schöpfung gebrochen. Der Demut der Sonne gleich, die im Osten aufgeht, entlang der Erde streift, ihr Licht ausbreitet und im Westen entschwindet, um Mond und Sternen den Vortritt zu lassen zum Schmuck der nächtlichen Dunkelheit. Bedecke uns mit deiner unermesslichen Liebe! Heile uns von dem Verlangen, die Luft, die Erde, unsere Lebenswelt zu verschmutzen.

SINGEND GEHT SIE LANGSAM FORT

Hai Wind, hauche deinen Atem in die sieben Cemara-Bäume. Lass mich ihre Düfte zu einem Mantra anrühren, das ich preisen werde in all die acht Himmelsrichtungen. Hai Frau am Rande des Sees, mische deine Tränen ins Mantra als Amulett gegen dein Leid.

Zweite Szene

DIE STIMME DER FRAU VEREBBT. UNDEUTLICH HÖRT MAN JEMANDEN SAGEN: „WASSER … WASSER: MEIN SEE… OH MEIN SEE.“ DER ERZÄHLER STÜRZT AUF DIE BÜHNE. LANGSAM KOMMT ER MIT SILAT-BEWEGUNGEN ZUM STEHEN UND ÜBERPRÜFT DIE BÜHNE. ALS ER SICH SICHER FÜHLT, RICHTET ER SEINE KLEIDUNG UND KLOPFT SIE AB.

E r z ä h l e r

Ich weiß nicht, ob ich soeben gestürzt bin oder gestürzt wurde. Auf jeden Fall tut es weh . . . ! Zu meinen Aufgaben hier auf der Bühne gehört nicht nur das Saubermachen, sondern auch all das zu richten, was nicht in Ordnung ist, und das zu erklären, was klar ist. He he, ich meine, was nicht klar ist. Zum Beispiel hörte man eben ein Flüstern oder vielmehr eine undeutliche Stimme, und es war nicht eindeutig, ob sie rief oder klagend sagte „Oh, mein See … oh, Toba-See.“

Zum Thema Wasser und Seen auf dieser Erde: Laut der indonesischen Verfassung von 1945 . . .  Entschuldigung, ich meine, laut der Bibel, ah, schon wieder falsch, ich meine laut den historischen Schriften. Ich meine zum Thema See, zum Beispiel der Toba-See.

Der Toba-See ist ein vulkanischer See mit einer Größe von 100 Kilometern Länge und 30 Kilometern Breite, in der Provinz Nordsumatra, Indonesien gelegen. Er ist der größte See Indonesiens und Südostasiens. In seiner Mitte liegt eine vulkanische Insel mit dem Namen Pulau Samosir. Der Geschichte bei Wikipedia zufolge . . ., entschuldigt, liebe Zuschauer, ich muss mich auf die Angaben bei Wikipedia berufen, so dass sich die Daten für den modernen Menschen akkurat und dem Kontext entsprechend darstellen  . . . Es wird geschätzt, dass der Toba-See bei einer Eruption vor 73.000 – 75.000 Jahren entstand, die auf den jüngsten Ausbruch eines Supervulkans zurückging. Bill Rose und Craig Chesner von der Michigan Technological University schätzen, dass aus dem Berginneren etwa 2.800 km³ vulkanisches Material geschleudert wurde, das sich wiederum aus 800 km³ Ignimbrit-Gestein und 2.000 km³ vulkanischem Staub zusammensetzte. Der Staub wurde vermutlich mit dem Wind über einen Zeitraum von zwei Wochen in Richtung Westen geweht und verteilte sich auf der halben Erdoberfläche, von China bis nach Südafrika. Der Ausbruch dauerte eine Woche, und die Aschewolke erreichte eine Höhe von zehn Kilometern über dem Meeresspiegel.

Was für eine Gewalt – oder, liebe Zuschauer? Nur schade, dass dieser gewaltige Toba-See nie als das Erbe eines Naturwunders betrachtet wurde, als eine Quelle der Inspiration, aus der verschiedene Wissenschaften schöpfen könnten: die Naturwissenschaften, die Mathematik, Geologie, Geschichte, die Wissenschaft zu leben und die vom Leben usw., usw. Versucht den Leuten einmal vom Toba-See zu erzählen, die denken zuerst an Urlaub . . . so scheint das Schicksal des Sees als touristisches Objekt besiegelt zu sein.

Während dem Mythos des Toba-Sees zufolge . . .

Dritte Szene

S a m o s i r  – TRITT AUF

Woiiiii, fass’ dich kürzer! Ich bin jetzt dran.

E r z ä h l e r

Moment! Ich gebe zunächst eine Einführung, bevor du auftrittst und das Schauspiel beginnt. Was berichtet uns die Legende über das Geschehen im Land der Batak oder über die Eruption des Super-Feuerbergs oder Supervulkans, der schließlich den Toba-See entstehen ließ?

S a m o s i r

Erzähl doch nicht jetzt schon alles! Sonst gehen die Zuschauer gleich nach Hause.

E r z ä h l e r

Ok … Boss! Liebe Zuschauer, bevor ich gleich schweige,

ZEIGT AUF SAMOSIR

Diese Figur heißt Samosir, er wird die Rolle des Bauern, Ehemanns und Vaters spielen. Wenn du meine Hilfe brauchst, ruf mich!

S a m o s i r

Vor langer Zeit lebte einmal ein armer Bauer, der …. Ah, das ist doch gar nicht mein Part. Das muss doch der Erzähler erzählen. Erzähler…Erzähler!

E r z ä h l e r

– KOMMT UND LÄUFT ZUR BÜHNENMITTE

Was gibt es?

S a m o s i r

Den Anfang der Geschichte, der Teil, der von meinem Leben und meinem Umfeld erzählt, den musst doch du erzählen und nicht ich. Weil ich ja die Rolle habe, das heißt, weil ich sie spiele.

E r z ä h l e r

Eben wolltest du, dass ich ganz schnell verschwinde. Darum tu lieber nicht so, als wüsstest du alles besser, damit du nachher nicht deiner eigenen Dummheit auf den Leim gehst. Nah, geh schon hinüber und nimm deine Flöte! Du spielst Flöte während ich erzähle. Aber gib darauf acht, dass dein Flötenspiel nicht lauter ist als meine Stimme.

S a m o s i r

– BLÄST SEINE FLÖTE  

E r z ä h l e r

Zu jener Zeit waren alle Bewohner eines Dorfes in Folge einer langen Dürre an Hunger gestorben. Nur ein Bauer mit dem Namen Samosir überlebte, weil er an einer Graswurzel, die aus dem Schnabel eines Vogels gefallen war, Flüssigkeit saugen konnte. Da es einfach nicht regnen wollte, verließ er seine Heimat, um an einem anderen Ort nach Nahrung zu suchen. Er kam schließlich an einen Wald, der voller Früchte und Blumen war, ein Fluss zog dahin und der Gesang wilder Vögel, im regen Austausch miteinander, erschallte. Samosir war wie benommen und entschied, in diesem Wald zu leben. Er bestellte ein Feld, um Reis und Gemüse anzubauen. Samosir lebte zwar mit ausreichend Nahrung, teils sogar im Überfluss, er war jedoch einsam. Seht Zuschauer!

ZEIGT AUF SAMOSIR

S a m o s i r

Die Bäume waren voller Blätter, manche trugen Früchte, die Tiere lebten in Gruppen und bildeten Gemeinschaften. Vögel zwitscherten unbeschwert und antworteten einander. Die Blumen bewegten sich nur, wenn ein Windhauch sie rührte, konnten aber doch ihre pflanzlichen Nachkommen verbreiten. Die Bäume, auch wenn sie auf der Suche nach der Sonne miteinander wetteiferten, lebten friedlich Seite an Seite und genossen das Sonnenlicht, das zärtlich ihr Blätterwerk und ihre Körper streichelte.

Aber ich …, ein Mensch, den du schufst als höchstes Geschöpf, du lässt mich alleine leben! Muss ich sterben, ohne dass jemand um meinen Leichnam trauert? Wenn das wirklich mein Schicksal ist . . .  warum nimmst du nicht auf der Stelle meine Seele hinfort?

E r z ä h l e r

Ja…ja, so sagt man, wozu dient aller Reichtum, alle Schönheit, wenn das Leben in Einsamkeit gehüllt ist? Lieber ein Leben in einer Feldhütte, aber gemeinsam mit einem Freund auf Leben und Tod. Ah… Samosir, sprich nicht in dieser Weise! Gleich werde auch ich traurig und fange noch zu weinen an. Ich bin doch da und du bist nicht allein.

S a m o s i r

Du kannst meine Einsamkeit nicht vertreiben. Du bist mir zwar ein Freund im Denken, nicht aber ein Freund im Fühlen. Ich habe meine Familie, meine Heimat und meine Freunde durch Hunger verloren. Heute lebe ich im Überfluss, aber meine Seele hungert. Ich wünsche mir eine Frau, die mir eine Freundin fürs Leben ist. Alleine zu leben ist so trostlos.

E r z ä h l e r

Schon gut . . . Samosir, jammere und weine doch nicht so! Nachher kann ich dem Publikum nicht mehr unsere Geschichte weitererzählen, weil du mich mit deiner Einsamkeit ansteckst. Es ist schon Mittag, geh los und fange einen Fisch zum Essen, damit du wieder zu Kräften kommst!

[ Übersetzung Sabine Müller ] 

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Die Opera Batak aus wissenschaftlicher Sicht:

Das Standardwerk zur Opera Batak hat Professor Rainer Carle 1990 vorgelegt:

„Opera Batak – Das Wandertheater der Toba-Batak in Nord-Sumatra – Schauspiele zur Wahrung kultureller Identität im nationalen indonesischen Kontext“

(Band I Entwicklungsgeschichte und Textkommentare,  Band II Dramentexte, Kurzkommentare und Dokumentation / Veröffentlichungen des Seminars für Indonesische und Südseesprachen der Universität Hamburg)

Dietrich Reimer Verlag, Berlin, Hamburg 1990

ISBN3-496-00179-8

Darstellung der Entstehungsgeschichte in Auszügen und einer kurzen Zusammenfassung von Rainer Carle durch Karl Mertes:

Die heutige Republik Indonesien war seinerzeit als „Niederländisch-Indien“ eine holländische Kolonie. Die Region im Norden Sumatras war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Kontrolle der Niederlande gelangt. Missionare aus Deutschland hatten die Christianisierung der Batak begonnen. Nordsumatra wurde über weite Flächen mit Plantagenwirtschaft überzogen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat es Volks- und Wandertheater in unterschiedlichen Ausprägungen und Formen in Südostasien gegeben. Eurasische Wanderbühnen waren populär – so etwa Wayang Parsi, Malay Oper of Malacca oder das Bangsawan-Theater. Lieder Texte, Tänze. Musik wurden multimedial und interaktiv – unter Einbeziehung von Reaktionen des Publikums – dargeboten, um sowohl zu unterhalten als auch zu informieren. Auf der einen Seite sollten so überlieferte klassische Künste und die orale Tradition bewahrt werden, auf der anderen Seite bezeugte die Entwicklung der unterschiedlichen Wandertheater die Bereitschaft von Neugierde und einer Öffnung zur außer-malayischen Welt.

Dieser Ansatz „ . . hatte sich mit der Etablierung der Opera Batak erstmalig selbst ein Forum geschaffen . . . weil ihre ritualisierte Form der Welterfahrung den Anforderungen einer Zeit großer kultureller Umwälzungen nicht mehr gerecht wurde beziehungsweise wegen der christlichen Missionspolitik verkümmert war.“ (S. IX)

„Die Opera Batak entwickelte sich im Zeitraum einer Dekade ab etwa 1925 durch den Kontakt zwischen einem überregional operierenden malaiischen Wandervolkstheater eurasischer Prägung sowie regional mobiler bäuerlicher Musikanten und städtischer Intellektueller mit kulturpolitischem Engagement batak-zentrischer Prägung“ (S.96)

1928 schuf Tilhang Gultom die Opera Batak, die sich für knapp sechs Jahrzehnte behaupten konnte. Neben den schauspielerischen, oft komödiantischen, Leistungen hat sich insbesondere die überlieferte Musik des Gondang-Orchesters etabliert. War uning-uningan doch von den Missionaren geächtet worden, so behauptete sich jetzt diese typische Batak-Musik zur Illustration der Bühnenstücke mit profanem und unterhaltsamem Ziel.

„Aus Bauern und Freizeitmusikern wurden professionelle Wandermusikanten, die sich ihr Betätigungsfeld bald auch außerhalb ihrer Insel Samosir über Balige hinaus erschlossen. (S.15) . . . .Die auf Samosir zunächst sporadisch, dann zunehmend permanent operierenden, einzeln und in kleinen Gruppen auftretenden Wandermusikanten mit clan-spezifischem Hintergrund waren anti-kolonialistisch, anti-missionarisch und pro-nativistisch eingestellt.  (. . . ) Sie brachten ein volkstümliches künstlerisches Vermögen mit und schufen sich binnen kurzer Zeit eine beachtliche Massenbasis an Zuschauern und damit eine ökonomisch sichere Existenzgrundlage“ (S.96/97).

Der holländischen Kolonialregierung war offensichtlich die populäre Präsenz der Opera Batak auf Jahrmärkten, bei Familienfesten und zu Wohltätigkeitszwecken suspekt. Dies führte dazu, dass die Musiker- und Tänzergruppen die jeweiligen Veranstaltungen anmelden mussten, die Bühne musste mit dem Zuschauerraum abgegrenzt und Tickets ausgegeben werden, Aufsichtspersonal wurde gefordert und Steuern waren fällig. Diese bürokratischen Maßnahmen trugen sozusagen zu einer offiziellen Anerkennung bei.

Weitere Aufmerksamkeit hat auch eine lebhafte Presseberichterstattung bewirkt, die vor allem in den Städten und bei Intellektuellen zu steigernder Anerkennung führte. „Die Opera Batak verfügte über Promotoren, die Lokalpatriotismus und marga-Orientiertheit zurückstellten zugunsten einer übergreifenden patriotischen Einstellung. Sie wollten das neu gewonnene kulturelle Medium ‚Theater‘ und seine potentielle gesellschaftliche Wirkung im pan-batakschen wie auch nordsumatranisch nationalen Kontext nutzen“ (S43/44).

In den Wirren des Zweiten Weltkrieges, d.h. für Sumatra auch unter der japanischen Besatzung sowie dem anschließenden Unabhängigkeitskampf, ruhten die Aktivitäten der Opera Batak offenbar weitgehend.

Ab dem 1950er Jahren fand das Theater erneut lebhaften Zuspruch, eine Reihe von konkurrierenden Gruppen wurden gegründet und führte zur Etablierung von Serindo, einer Weiterentwicklung, die die „schöpferischste Bühne mit den meisten selbst erarbeiteten Dramen war und weil es wegen seines im Vergleich zumeist höheren künstlerischen Niveaus und der längsten Tradition, und damit auch einer gesünderen ökonomischen Basis, der angesehenste Arbeitsplatz für die talentiertesten Künstler im nordsumatranischen Raum war.“ (S.101/102)

Die ausgesprochen kenntnisreichen und sehr detaillierten Schilderungen und Erläuterungen von Carle enden mit der Beschreibung des Schauspiels Pulo Batu, das 1981 im Kulturzentrum von Jakarta aufgeführt wurde. Es war die Ende letzten Jahrhunderts herausragendste Aufführung:

„Hierbei führte die Kombination von konventionell tradierter, improvisatorisch repetierter und literarisch kreativer, theatertheoretisch vorgebildeter Produktionsweise zu einem in jeder Hinsicht komplexeren, wirkungsvolleren Theater als das der Wanderbühnen in Nordsumatra Ende der siebziger Jahre, Die neuartige Wirkung war insbesondere in dem Versuch spürbar, die magisch-rituelle Welt der vergangenen Kultur der Vorfahren mit theaterästhetisch effektvollen Mitteln, aber möglichst originalgetrau wiederzugeben.“ (S. 392)

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Die Wiederbelebung der Opera Batak durch die Gruppe PLOt

Mit der (Neu-)Gründung der Theatergruppe Opera Batak/PLOt in Pematang Siantar, Nordsumatra im Jahre 2002 wurde das ehrgeizige Ziel verfolgt, einerseits eine überlieferte Kunstform zu neuem Leben zu erwecken, andererseits aber auch – und gerade – durch traditionelle Ausdrucksformen moderne Botschaften zu transportieren.

1380599_615874735131136_1175661534_n[1]In einem Theaterstück, inszeniert von Lena Simanjuntak, werden gegenwärtige Problemstellungen aufgegriffen und in einem faszinierenden, für uns Europäer exotischen Ambiente präsentiert. Damit gelingt es auf eindrucksvolle und unterhaltsame Art und Weise, breite Bevölkerungskreise anzusprechen und für aktuelle Themen zu sensibilisieren, die nur auf den ersten Blick fern von uns sind.

Die Darsteller stammen alle aus der Batak-Region auf Nordsumatra und kamen 2013 erstmals nach Europa. Durchgeführt wurde das Projekt von der Deutsch-Indonesischen Gesellschaft e.V. Köln.

Die Opera Batak wird international – Ein Zeitungsbericht aus Medan von 2012 

Am Samstag, den 1. Dezember 2012, fand im Garten der Kulturen in Medan, Nordsumatra,eine öffentliche Gesprächsrunde zur Opera Batak, unter dem Motto „Zehn Jahre nach dem Wiedererstehen der Opera Batak – Das erste internationale Gastspiel“, statt.  Anwesend waren Lena Simanjuntak, Regisseurin aus Köln, ihr Ehemann Karl Mertes, Vorsitzender der Deutsch-Indonesischen-Gesellschaft, Köln, Thompson Hutasoit, der Leiter von PLOt, dem Veranstaltungs- und Übungszentrum der Opera Batak, Alister Nainggolan und Zulkaidah Harahap, beide seit Jahrzehnten Förderer und Bewahrer dieser traditionellen Kunstform sowie Yulhasni, Dozent an der Universität von Nordsumatra, Medan als Moderator.

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Die Gesprächsrunde befasste sich, nachdem sie vom Leiter des Garten der Kulturen eröffnet worden war, vor allem mit den zehnjährigen unermüdlichen Anstrengungen Thompson Hutasoits und seines Freundeskreises, die die unter dem Namen Opera Batak bekannte traditionelle Kunstform des Batakvolkes, wieder zum Leben zu erwecken. Angeregt durch  die Gesellschaft zur Förderung der mündlichen Überlieferung mit Sitz in Jakarta, die ihr Augenmerk auf die Provinz Nordsumatra einschließlich der aus dieser Region stammenden Opera Batak gerichtet hatte, begann auch Thompson Hutasoit sich intensiv mit dieser Kunstform zu befassen.

Nach seiner Einschätzung ist es durch die Arbeit der letzten zehn Jahre gelungen, die Opera Batak zu bereichern und neu zur Entfaltung zu bringen. Die geplante Gastspielreise der Opera Batak nach Deutschland, wo das Stück „Frauen am Rande des Sees“ von Lena Simanjuntak aufgeführt werden wird, fügt sich deshalb auch nahtlos in ihre bisher ständig aufsteigend verlaufende Entwicklungsgeschichte ein. Die Opera Batak wird dadurch nunmehr auch international bekannt.IMG_0247

Wenn auch  nur sieben Mitglieder des Ensembles, mithin lediglich ein  Teil der gesamten Gruppe PLOt, die Reise nach Deutschland antreten können, sieht Thompson Hutasoit die Vertreter der Opera Batak in der Lage, dem Publikum nachdrücklich zu vermitteln, dass ihre Kunst nach wie vor besteht und auch in der Zukunft weiter bestehen und sich fortentwickeln wird.

Dass Deutschland für die erste internationale Gastspielreise ausgewählt wurde, erfolgte auch vor dem Hintergrund der schon in dieZeit der deutschen Missionare zurückreichenden Beziehungen zwischen Deutschland und den Batak. Zu wünschen ist, dass dieser historische Bezug auf eine ihm eigene WeiseWirkung entfaltet, damit die Vorstellungen im November 2013 sowohl dem Ensemble als auch allen Förderern und Liebhabern der Opera Batak Zuversicht und Kraft vermitteln sie zu erhalten und ihr eine Zukunft zu bereiten.dezember_seminar

Zur Feier des zehn jähriges Bestehen der Gruppe PLOt in Sumatra durfte ein Hinweis auf die Webseite in Europa nicht fehlen:

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