Präsentation: Die Funktion des Todes im Spiel

Auf der Next Level Conference in Köln letzte Woche habe ich spannende Reaktionen und Diskussionen auf den Film „Totgespielt“ erlebt. Zum Thema passend in einer Kirche angesiedelt, verfolgten etwa 20 Personen auf der Empore den Film und anschließend meine Präsentation, die den Film eingeordnet und nochmals die Funktion des Todes in Computerspielen reflektiert hat.

Diskussion

Im Anschluss fand eine spannende Diskussion statt mit dem Publikum, Martin Geisler hatte auch die Gelegenheit, von den heftigen Reaktionen auf den Film zu berichten, die sich in einigen Zeitungen artikulierten.

Einige Teilnehmer meinten, der Film verkenne, dass das Tabu in der Gesellschaft sich weniger auf den Zustand des Todes als vielmehr auf das Sterben erstrecke, was der Film zu wenog betone.

Einige bemängelten, dass nur das passive, getötete Opfer betrachtet wird und der Täter, der mordet und dadurch Vorteile erzielt, außen vor bleibt. Dem widersprach Martin, der Film zeige beide Seiten.

Ich habe dazu ergänzt, dass die Diskussion um den Tod in den Medien in Deutschland von der Gewaltdebatte dominiert ist, obwohl die meisten Menschen in den Industrienationen unspektakulär an Altersschwäche oder Krankheit sterben.Ein Sujet, das in Games nicht vorkommt oder kaum. Die Verquickung mit der Gewaltdebatte ist wenig hilfreich. Ohnehin finde ich die moralische Überfrachtung von Games fragwürdig. Natürlich können Spiele auch zum Nachdenken anregen und philosophische Fragen aufwerfen, vor allem wenn sie als Serious Games dafür konzipiert wurden. Aber Computerspiele sind in erster Linie ein Unterhaltungsformat, das Spaß und Muße und die Vorzüge jeder Art von Spiel bietet: einfach ungezwungen und ohne Konsequenzen fremde Welten zu erkunden, in andere Rollen zu schlüpfen und Handlungsoptionen zu wählen, die im realen Leben verpönt sind.

Gamifizierung realer Gewalt

Dann die abschließende Frage, ob es nicht beängstigend sei, dass Games immer realistischer würden und so die Gefahr drohe, dass man nicht mehr zwischen Realität und Virtualität unterscheiden könne. Ich sehe darin ein geringeres Problem als in der umgekehrten Entwicklung, reale Gegebenheiten mit Hilfe von Gamification zu „virtualisieren“ und somit zu verharmlosen, etwa im Börsenhandel oder im Krieg. Gerade die Spielifizierung von realer Gewalt ist viel bedrohlicher als jede virtuelle Gewalt. In einem meiner nächsten Blogeinträge werde ich mich dem militärischem Thema widmen und einige Gamification-Umsetzungen für die Armeen präsentieren.

Hier die Präsentation zum Thema „Die Funktion des Todes im Spiel“

 

5 thought on Präsentation: Die Funktion des Todes im Spiel

  1. Was verstehen Sie eigentlich unter „Tabu“?
    Ich würde ja eher genau die Funktionalisierung von zum Beispiel Tod in Games kritisch sehen. Dass etwa Tod meistens gar nicht explizit thematisiert wird, wie in „The Graveyard“, sondern eher (nur) funktional verwendet.
    Ich könnte auch sagen missbraucht wird.
    Ich denke jedenfalls, dass mit diesen Zugängen stereotype Ideen über Gamer und Games nur verlängert werden – indem so (auch) in erster Linie rationale Überlegungen bemüht werden die wie eine Rede über „Kompetenzen“ Emotionen zumindest weitgehend ausblenden.
    Oder wo bleibt in ihren Ausführungen die Freude an Gewaltdarstellungen (zurück)?

  2. Die moralisch-ethische Überfrachtung von Computerspielen geht IMHO in zwei Richtungen – eine Grundsatzdiskussion darüber, welchen Themen in Spielen sowohl strukturell als auch inhaltlich abgehandelt werden und eine Diskussion darüber, welche Wirkung die Struktur und der Inhalt auf den Spielenden hat. Abschließend wissen wir noch garnicht, welche individualpsychlogische Auswirkungen so manches Spiel haben *kann* – und hier ist berechtigte Kritik auch an den eher liberalen Forschern angebracht, die sich diesem Thema angenommen haben.

    Der Film spricht von Symbolik und setzt den Fokus klar auf den „getöteten“ Spieler und eben nicht auf die Massen an Gegener (seien es AI Gegner oder andere Spieler) – und in diesem Rahmen ist der Film spitzenklasse. Er ist gut produziert und ich kann alles im Film genannte nur mit einem Ja absegnen. Ich als Spieler mit über 20 Jahren Erfahrung in allen Genres bin ebenfalls liberal angesiedelt, sehe „Menschen“ in spielen als Spielfigur, Blut als Feedback darüber, dass ich getroffen habe und verbringe fast jeden Abend eine gute Zeit mit Freunden die ich rege „aus dem Spiel nehme“ .. Dennoch wünsche ich mir bezüglich dieses Themas weniger „Meinung“ sonder mehr konkretes Wissen darüber – deshalb freue ich mich wirklich auf Martin Geislers Publikation!

    Deinen Beitrag fand ich gut, aber viel zu schnell – Du bist durch die Folien gehetzt und es schwer die neuen Stücke an Information herauszufilten, oft hast Du die Aussagen des Filmes nur paraphrasiert. Im Kern alles richtig, aber alles zu einfach – vll. lag das an der Zeit, aber das Medium Computerspiel ist einfach zu kompliziert um es auf so wenige (und Du musst zugeben manchmal etwas polemische) Aussagen runterzubrechen.

    Überfrachten wir Computerspiele? Ja, über Filme und Musik wird weitaus weniger gesprochen als über mein Lieblingsmedium in Sachen Wirkung .. Warum gibt es soviel Gewalt in Computerspielen – vll. weil es einfach viel simpler ist es zu coden als schwerwiegende zwischenmenschliche Beziehung .. und weil, das Leben schon schwerwiegend genug ist? Ich schweife ab … 😉

  3. ‚Ich als Spieler mit über 20 Jahren Erfahrung in allen Genres bin ebenfalls liberal angesiedelt, sehe “Menschen” in spielen als Spielfigur, Blut als Feedback darüber, dass ich getroffen habe und verbringe fast jeden Abend eine gute Zeit mit Freunden die ich rege “aus dem Spiel nehme” .. Dennoch wünsche ich mir bezüglich dieses Themas weniger “Meinung” sonder mehr konkretes Wissen darüber‘
    So könnte ich niemals über Videospiele denken und ich spiele schon seit einem Vierteljahrhundert: traditionelle Videospiele möchten so offensichtlich doch schon nicht ernst genommen werden. Wie soll demnach überhaupt irgendein „konkretes Wissen“ vorliegen können, wenn davon, von solchen Werturteilen und Einschätzungen bereits ausgegangen zu werden scheint? Immer nur anderen Faktoren wie Sozialität etc. Da besteht doch eine grundlegende Manipulation von Leben welche den klaren Blick auf einen Gegenstand wie Videospiele bereits völlig mit Anderem versperrt.
    „Gewalt“ bleibt so gerade dann völlig unhinterfragt, wenn sie einen funktionalen Charakter hat: ich sehe alle Gewalt als Chance oder zumindest Möglichkeit einer Auseinandersetzung an – egal ob ich mich damit in „Call of Duty“ oder „New Super Mario Bros.“ beschäftige. Und ich erkenne sämtliche Darstellungen von Menschen auch als Menschen an, andere Figuren wie fantastische Wesen als solche, und ebenfalls Gegenstände. Doch niemand der oder die so spricht möchte sich über ihre oder seine Handlungen in Videospielen anscheinend selbst in Frage gestellt sehen. Über „Gewalt“ nachdenken. Menschen wie ich jedoch schon. Ich käme nie im Leben auf dermaßen relativierende Ideen, die aus meiner Sicht nichts anderes tun als den fiktionalen Charakter von Videospielen gegenüber irgendwelchen Vorstellungen von Regeln gering zu schätzen. Mit dem doch tendenziellen Ergebnissen dass die unliebsamen Fiktionen, die Gewalt, „unnötig“ sei. Für mich sind Videospiele eine Ausdrucksform die sich individuell erarbeitet wird – von allen videospielenden Menschen. Auch denen welche gleich sagen „da spiel ich nicht mit“ und jene die sich nach einer gewissen Zeit angewidert von etwas empört abwenden. Doch allein dieser negativen Rezeption einer Integration von Negativem wie Gewalt wird hier so das Wort geredet – ob beabsichtigt oder nicht. Bei dieser Perzeption: wenn traditionelles Videospielen sowieso keine angemessenen Konfrontationsmöglichkeiten (an)böte, Ethik sogar keine Sache davon sein soll, sondern höchstens von Lernumgebungen die schon per Definition Inhaltskontrollen unterzogen werden, spätestens aber in der Entwicklung. Das betrifft die politische Naivität eines „PeaceMaker“ wo Unliebsames „ernsthaft“ (!?) ausgespart wird ebenso wie „America’s Army“, wo kein „Feind“ identifizierbar ist aber vielleicht hier – siehe im aktuellen Beitrag zu Israel – genau das antiamerikanistisch motiviert noch behauptet wird? Gerade eine Möglichkeit mit Gewalt umgehen zu lernen, sie ohne einseitig moralische Zwänge zu kritisieren oder psychologisierend in Frage zu stellen, sowie sich auch daran erfreuen zu können, soll hier doch, über diese Reduktionen, verworfen, Individuen abgesprochen oder in der Sache trivialisiert werden. Gewalt wird damit traditionellen Videospielen als Thema schon völlig entzogen und ideologisch normierten Formen vorbehalten. Oder wie soll anders über einzelne Menschen bestimmt werden? Wie alle andere Kunst auch können Videospiele für mich jedenfalls nicht gefährlich genug sein. Eine negative Konzeption von Negativem wie Gefahr bleibt so – ähnlich wie die Gewalt – nämlich ebenfalls keiner Kritik ausgesetzt. Es stellt sich für mich eher schon die Frage ob nicht der bloße Gedanke an Wirkungen, egal in welche Richtung, freien Ausdruck bereits einschränken möchte. Geschweige denn Determinismen transportieren. Aber weder ein Gedanke an Auswirkungen, noch positive oder negative Imaginationen dazu wollen hier offensichtlich wirklich in Frage gestellt werden. Den Sozialwissenschaften wird weiterhin völlig unkritisch begegnet, wenn sie meinen sich über den Ausdruck fremder Menschen äußern und darüber vielleicht statistisch bestimmen zu können wer was wie sieht, sondern im Gegenteil werden diese immer und immer wieder noch zu (neuen) Maßstäben genommen – im Rahmen einen Normdenkens an Gesundheit, Sicherheit oder Staatswesen, sowie an ein naturalistischen Menschenbild und eine Wertrationalität die Werte wie Sachverhalte vorgibt -, daran gekoppelt und zu Schlussfolgerungen herangezogen.
    Was soll das bloß für eine Kulturpolitik gegenüber einzelnen Menschen sein? Und welche Öffentlichkeitsarbeit?

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