Gamification des Krieges
Im meinem letzten Blogbeitrag zur Funktion des Todes im Spiel habe ich darauf hingewiesen, dass die Gamifizierung realer Gewalt und des Krieges die wahre Herausforderung darstellt. Es ist unheimlich, dass es neben den Drohnen der Amerikaner und ihre Steuerung über Xbox-Controller nun auch im letzten und aktuellen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern im Gaza-Streifen der Krieg kommunikativ gamifiziert wird, von der Israelischen Armee, die Badges online verteilt.
Der lesenswerte Blogeintrag von Crackjack beleuchtet die Hintergründe und zeigt, wie Gamification als Teil der Kommuniaktionsstrategie in Social Networks genutzt werden kann, um den eigenen Standpunkt zu vertreten und zu verbreiten.
Von der Kommunikation zum Ernstfall
Das ist aber erst der Anfang, Gamifizierung von Krieg geht weit darüber hinaus. Kommunikation und Propaganda mit Games und Social Networks zu unterstützen ist kein Novum der israelischen Armee. Ganz anders sieht es aus, wenn Games-Elemente genutzt werden, um Rekruten auszubilden. Letzter und bedenklicher Schritt ist die Gamifizierung von Kampfeinsätzen, etwa indem Angriffe wie ein Spiel kaschiert werden, indem Drohnen mit handelsüblichen Controllern gesteuert werden oder die Einsätze in ein Ranking eingebettet werden, so dass es nicht als ernst wahrgenommen wird.
Bedenklich ist das in Kombination mit der eh sich vergrößernden Distanz zwischen den Kombattanten, die durch die Technisierung geschaffen wird. Und damit ist nicht nur die geografische Distanz gemeint, sondern auch die Art und Weise, wie die Informationen aus dem Zielgebiet aufbereitet werden. Zerstörte Gebäude und Panzer sowie Tote können als digitale Informationen beliebig dargestellt werden. Das Resultat des Einsatzes ist vermittelt und aufbereitet, nicht nur in stilisierten Bildern (grüne Punkte der TV-Bilder aus dem zweiten Irak-Krieg lassen grüßen), sondern auch in der Gestaltung des User-Interface von Waffensystemen.
Medienkompetenz ausweiten
Als Konsequenz muss Medienkompetenz breiter gefasst werden. So wie man lehren muss, die Schilderung der „Realitäten“ durch Presse und TV zu hinterfragen, gilt es alle Menschen mit einem kritischen Blick für die vermeintlichen Wahrheiten auszustatten, die uns das Militär liefert. Das gilt vor allem für die Angehörigen des Militärs selbst.
So wie wir die Kriegsbilder kritisch betrachten müssen, die uns im Wohnzimmer erreichen, sollte jeder Soldat und Verantwortliche im Militär jeden Versuch Krieg zu verharmlosen widerstehen und ablehnen. Wenn Krieg und Kampf unausweichlich sind, müssen die schrecklichen Ergebnisse der Zerstörung ungeschönt und in voller Wucht sichtbar sein, nicht nur für jene, die an den Waffen sitzen, sondern für alle, die mit entscheiden: Politik und in Demokratien das gesamte Volk, in dessen Stimme ein Krieg legitimiert wird. Da haben Spiele nichts verloren und dienen nur einem Ziel: zu verharmlosen und die Menschen für dumm zu verkaufen.
Du schreibst in dem Artikel, dass Propaganda mit Games und Social Networks zu unterstützen kein Novum der israelischen Armee ist. Ich nehme an, du spielst auf Americas Army an. Denn Israel versucht mit dieser Methode die Deutungshoheit über einen militärischen Konflikt zu erlangen und nicht nur Werbung für die eigenen Streitkräfte zu machen.
Danke für deinen Kommentar. Americas Army würde ich nicht als Gamification bezeichnen, das ist ja ein Shooter. Der dient der Werbung.
Problematisch sind die Spielifizierung realer Kriegshandlungen, etwa die Steuerung der Drohnen oder die Visualisierung der „Ergebnisse“.
Krieg und Spiele sind seit langen Zeiten ein Paar: fast alle Sportarten lassen sich irgendwann auf Wehrertüchtigung zurückführen. Viele Sportarten sind als sublimierte, zivilisierte Form des Wettkampfs entstanden, bei dem man irgendwann davon absah, den Gegner physisch zu vernichten. Andere förderten die Kampffähigkeit – und in jeden Zeitalter hat man etwas anderes darunter verstanden. Erst seit wenigen Jahrzehnten ist das „Kriegsspielzeug“ für Jungs verpönt.
Computerspiele fördern Reaktionsschnelligkeit und Koordination beim Einsatz von Technik – und das braucht im modernen, effizienten Kampfeinsatz. Wahrscheinlich haben der „Arbeitsplatz“ von Kampfpiloten und ein professioneller „Spielplatz“ viele Ähnlichkeiten. Was ausgeblendet wird, ist das Leid von Menschen, das der Einsatz mit sich bringt. US-Armee und die israelische Armee sind als einsatzerprobte Armeen aus Ländern, in denen moderne Technik weit verbreitet ist, wohl weiter als andere. Da muß nicht viel gamifiziert werden.