MDR Kultur im Interview mit mir – Gamification in der Politik
Für die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, hat mich der Radiosender MDR Kultur interviewt. Thema: Gamification in der Politik. Angefangen beim Wahl-O-Maten der Bundeszentrale für politische Bildung, erkunden wir im Gespräch Möglichkeiten, durch einen spielerischen Zugang Politik und Demokratie schmackhaft zu machen.
Gamification versus Serious Games
Gestaltet man politische Prozesse spielerisch, dann spricht man von Gamification. Das beginnt mit der Vermittlung politischer Inhalte (Parteiprogramme), geht über die Aktivierung von Unterstützern im Wahlkampf bis hin zur Gestaltung von Politik selbst: Gamification bietet riesige Chancen, in Zeiten von Politikverdrossenheit für Demokratie zu begeistern, indem es Zugänge zu sperrigen Themen erleichtert und die Motivation steigert.
Abgegrenzt habe ich das von Serious Games. Diese eignen sich ebenfalls ideal für die Vermittlung politischer Inhalte und sind eine Chance, politische Kompetenzen aufzubauen. Serious Games sind Lernspiele, also abgeschlossene Software-Anwendungen, in denen der Spieler Politik „simuliert“ und dabei lernt, was man bei der politischen Entscheidung so alles berücksichtigen muss. So können Lernende in „Der Kanzlersimulator“ eine Legislaturperiode als Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler nachspielen oder in „Democracy 3“ Lösungsansätze für komplexe politische Probleme erarbeiten.
Ist der Wahl-O-Mat schon Gamification?
Der Wahl-O-Mat hat zweifelsohne mehr zur Vermittlung politischer Inhalte beigetragen als alle anderen Methoden zusammen genommen. Und durch seinen Quiz-Charakter ist der Wahl-O-Mat ein gutes Beispiel für eine gelungene spielerische Vermittlung. Er fasst die Kernaussagen diverser Parteien zusammen und erlaubt in einem Quiz, sich zu verorten. Die Ergebnisse erstaunen viele und sorgen für reichlich Diskussionsstoff, aber viel mehr noch gelingt es dem Wahl-O-Maten, Interesse für die Inhalte der Parteiprogramme zu wecken.
Das ist – so meine Quintessenz im Interview – das Tolle an der spielerischen Umsetzung: im Idealfall greifen die Nutzer danach zu den Parteiprogrammen und informieren sich tiefgreifender über die Positionen der Parteien.
Parteien und Gamification: Willkommen im Neuland!
Ähnlich wie beim Umgang der CDU mit dem Rezo-Video, sind die Parteien in Deutschland beim Thema Gamification völlig unbeleckt. Neuland, wohin man auch schaut. Dabei böte Gamification viele Chancen für die Parteien, ihre Inhalte statt in drögen PDFs mal in ansprechenden Formaten an den Mann zu bringen:
- Eigene Positionen visueller und verständlicher transportieren
- Junge Menschen für Demokratie und die eigene Partei begeistern und gewinnen
- Menschen motivieren, mitzumachen
- Parteimitglieder stärker binden
- Sich abheben gegenüber der Konkurrenz
Da lohnt ein Blick ins Ausland. Gerade in den USA nutzen die Parteien Apps und Gamification, um Mitglieder und potentielle Wähler zu aktivieren. So lässt sich der Straßenwahlkampf zu einer Challenge gestalten und das Abarbeiten der politischen Positionen als Teil einer digitalen Schnitzeljagd erleben: mit Gamification schafft man es, Politik wieder zu dem werden zu lassen, was es wirklich ist: essentiell für die Menschen und spannender als jedes Spiel – es geht schließlich um unsere Zukunft!